Über Grenzen Demokratie-Schmiede für junge Europäer: Workshops vor der Europawahl

 Junge Franzosen und Deutsche bringen ihre Gedanken über Europa und die Welt zu Papier.
Junge Franzosen und Deutsche bringen ihre Gedanken über Europa und die Welt zu Papier.

Zur 75-Jahr-Feier des deutschen Grundgesetzes soll Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron im Mai nach Berlin kommen. Das Deutsch-Französische Jugendwerk lädt anlässlich dieses Besuchs Jugendliche aus Frankreich und Deutschland zum Gedankenaustausch vor den Wahlen zum Europaparlament ein.

„Einig, sich uneinig zu sein“ – unter diesem Motto veranstaltet das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) von 21. bis 28. Mai eine „Demokratie-Schmiede“ in Berlin. Nur wenige Tage vor den Europawahlen findet diese Workshop-Woche parallel zum Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in der deutschen Hauptstadt und zum Demokratiefest anlässlich des 75. Geburtstags des deutschen Grundgesetzes statt.

Die 30 Teilnehmer im Alter von 18 bis 30 Jahren kommen aus Deutschland, Frankreich und der Ukraine. Auch aus dem Südwesten – Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – sind einige Aktive mit von der Partie. Gemeinsam wollen sie eine gute Woche lang Vorschläge zu ihrer Rolle und Teilhabe in der Demokratie erarbeiten. Die Ergebnisse werden zum Abschluss in einer kreativen Performance in Berlin präsentiert.

Diese „Demokratie-Schmiede“ findet in einem weichenstellenden und zugleich symbolischen Kontext statt, rund zwei Wochen vor den so eminent wichtigen Europawahlen, bei denen in Deutschland erstmals Jugendliche ab 16 Jahren wählen dürfen.

Interkultureller Austausch mit dem DFJW: Nicht immer ist man sich dabei in allen Punkten einig.
Interkultureller Austausch mit dem DFJW: Nicht immer ist man sich dabei in allen Punkten einig.

„Das Deutsch-Französische Jugendwerk möchte jungen Menschen eine Stimme geben – und die Wahl ab 16 ist ein klarer Schritt dahin. Wir müssen die junge Generation miteinbeziehen und mit ihnen die Zukunft gestalten“, erklären die beiden DFJW-Generalsekretäre Tobias Bütow und Anne Tallineau unisono.

Gleichzeitig ist das Jahr 2024 ein besonderes Festjahr: Am 23. Mai wird das deutsche Grundgesetz 75 Jahre alt. Dies gibt am 26. Mai Anlass zu einem Fest der Demokratie in Berlin, zu dem die Bundesregierung parallel zu seinem Staatsbesuch Emmanuel Macron einlädt.

Die „Demokratie-Schmiede“ des DFJWs setzt gezielt auf die Teilhabe junger Menschen in einer modernen Demokratie. Acht Tage lang erarbeiten Azubis und junge Arbeitnehmende ihre Ergebnisse, die zum Abschluss in Berlin präsentiert werden. In drei Kurz-Performances gehen die Akteure auf bedeutsame Fragen rund um die Demokratie ein. Ihre Antworten sollen sie dabei auf lebendige, kreative Art und Weise formulieren. Einerseits in einer Theaterinszenierung, andererseits auch in einer künstlerischen Installation und einem Poetry-Slam unter anderem in deutscher und französischer Sprache.

Jugend im Krisenmodus

Wichtige Fragen sollen bei der „Europa-Woche“ des Deutsch-Französischen Jugendwerks erörtert werden. Wie steht es um die Demokratie in den europäischen Ländern? Was denkt die Jugend darüber? Oder: Was ist der Wert von Demokratie – historisch, interkulturell, gesellschaftlich und ganz persönlich für die jungen Menschen? Angesichts der Kriege in der Ukraine und in Nahost sowie der Welt im Krisen-Modus mit zunehmenden Spaltungs- und Radikalisierungstendenzen soll auch die Frage diskutiert werden, was eine Demokratie aushalten muss – und wo ihre Grenzen sind, teilen die Veranstalter mit.

Speziell im Kontext von rechtspopulistischen und rechtsextremen Tendenzen in Deutschland mit der AfD und Le Pens Rassemblement National, dem Nachfolger der Front National, in Frankreich. Oder der Demontage des Rechtsstaats in Orbans Ungarn sowie bis vor kurzem in Polen unter der PiS-Regierung.

Gefeiert wird aber trotzdem, wie beim 60. Geburtstag des Deutsch-Französischen Jugendwerks 2023 in Berlin.
Gefeiert wird aber trotzdem, wie beim 60. Geburtstag des Deutsch-Französischen Jugendwerks 2023 in Berlin.

Maud (24) ist eine der Teilnehmerinnen der „Demokratie-Schmiede“. „Ich liebe das Prinzip der Demokratie, aber ich sehe sie in Gefahr“, betont die junge Frau während der Vorbereitungsphase. Das Gefühl von Unsicherheit und Ohnmacht wurde auch von den anderen Teilnehmern des Projekts formuliert. Die weiteren Aktiven der „Demokratie-Schmiede“ gaben im Vorfeld an, dass sie in ihrem Umfeld oft von rechtem Gedankengut umgeben sind und dabei nicht wissen, wie sie dem entgegenstehen können und wie sie darauf reagieren sollen.

Angesichts des Aufstiegs der Rechtsextremen in der EU und des anhaltenden Ukraine-Kriegs teilen viele der jungen Franzosen und Deutschen die Angst, dass Europa in Unruhen versinken könnte. Mit ihrer Teilnahme an dem bilingualen Projekt kurz vor den Europa-Wahlen möchten sie aktiv werden und sich für Demokratie und Meinungsfreiheit engagieren, heißt es weiter. Auch beim 60. Geburtstag des Deutsch-Französischen Jugendwerks, das seinerzeit von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer parallel zum Elysée-Vertrag ins Leben gerufen wurde, standen diese Themen im Mittelpunkt.

Auch Theater und Performance gehören zu den DFJW-Workshops.
Auch Theater und Performance gehören zu den DFJW-Workshops.

Im vergangenen Jahr wurde das Jubiläum entsprechend zelebriert mit Workshops und vielfältigen Programmen. Das Credo der Einrichtung lautet: Eine lebendige Demokratie lebt von aktiver Jugendbeteiligung, Austausch und Teilhabe. Gerade in politisch angespannten Zeiten seien interkulturelle Begegnungen unter jungen Menschen aus verschiedenen Ländern von zentraler Bedeutung, lautet die Einschätzung der Einrichtung. „Alle Gesellschaften brauchen eine starke Jugendbeteiligung. Ihr Engagement stärkt Entscheidungs- prozesse und damit unsere Demokratie“, konstatiert DFJW-Generalsekretärin Anne Tallineau.

Daher finden permanent Demokratie-Projekte unter anderem in Deutschland, Frankreich oder Belgien statt. So beispielsweise von 21. bis 25. Mai auch in Straßburg. Dort steht ein Schüleraustausch zu den Themen Europa, Krieg und Frieden auf der Agenda. 30 Schüler im Alter von 13/14 Jahren einer hessischen Montessori-Schule treffen auf Gleichaltrige des Collège Aimé Césaire aus Paris in der elsässischen Europa-Stadt und diskutieren dort Geschichte und Zukunft des Kontinents.

Von 6. bis 10. Juni wiederum findet in Brüssel ein Deutsch-Französisches Wahlbeobachtungsseminar statt. Das Bureau International de Liaison et de Documentation (BILD), die Gesellschaft für übernationale Zusammenarbeit (GÜZ) und das DFJW bringen 24 junge Menschen nach Brüssel, die sich während der EU-Wahlen kritisch und journalistisch mit den europäischen Institutionen auseinandersetzen.

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